08/2012: Einblicke in eine verborgene Szene
Urban Explorer bilden eine Szene, die vorwiegend im Verborgenen arbeitet – und das durchaus mit gutem Grund: Die Objekte sollen vor Vandalismus geschützt und deren Lage nicht allgemein bekannt werden und die rechtliche Situation des Urban Exploring erfordert einen gewissen Selbstschutz.
Dennoch ist es erstaunlich, wie paradox der Alltag in der Szene verläuft. Es werden moderne Hilfsmittel wie Google Earth, Suchmaschinen und Foren eingesetzt, um neue und interessante Objekte des Urban Exploring zu recherchieren – je nach Bekanntheitsgrad ein zeitintensives Unterfangen. Personliche Kontakte und die Mitgliedschaft in entsprechenden Foren erleichtern die Vorarbeiten. Klingt alles in allem nach einem funktionierendem System – wäre da nicht die allseits bekannte Divergenz zwischen Theorie und Praxis.
Als aktiver Urban Explorer bin ich in verschiedenen Foren Mitglied, die wie ich den Fokus auf die fotografischen Aspekte des Urban Exploring legen. Die Suche nach dem Bernsteinzimmer oder die Teilnahme an postmodernen Schnitzeljagden (Geocaching) sind für mich persönlich ebenso wenig von Interesse wie die Geisterjäger, die Paranormales und die Seelen unglücklich Verstorbener in verlassenen Häusern und Schlössern nachweisen wollen.
Die Forenpraxis zeigt jedoch auch deutlich, wie es um die Szene bestellt ist. Die aktive Gestaltung des Forenlebens in Form von Beiträgen beschränkt sich oftmals auf eine kleine eingeschworene Gruppe, die neue Mitglieder erst einmal kritisch und misstrauisch beäugt. Das ist prinzipiell nicht verwerflich und dient auch dem Schutz der Mitglieder. Allerdings sind die Forenbetreiber häufig darauf erpicht, ihre Mitglieder ausschließlich an ihr Forum zu binden und eine Vernetzung der Szene findet so gut wie nicht statt. Ein aktuelles Beispiel war die geplante Konferenz der URBEXPO 2012, die neben einer hervorragenden Fotografieausstellung eben diese Möglichkeit der Vernetzung ermöglichen sollte.
Die Theorie der Vernetzung
Die Planung der Konferenz war durchaus durchdacht. Neben den bestehenden persönlichen Kontakten zu Anhängern der Urban Exploring-Szene wurden ausschließlich Mitglieder von Foren, in denen ich selbst Mitglied bin, zur Teilnahme an der Konferenz angesprochen. Zudem wurde das Vorrecht in Anspruch genommen, im Zweifelsfall der Vertrauenswürdigkeit der potentiellen Konferenzteilnehmer die Teilnahme zu verweigern- eigentlich ein schlüssiges Konzept, um sicher zu stellen, dass nur ernsthaft interessierte Personen beteiligt sind und ein diskreter und sicherer Austausch möglich ist. Für kostenlose Getränke wie Kaffee und Mineralwasser für die Teilnehmer während der Veranstaltung wurde ein Unkostenbeitrag von 3€ pro Person veranschlagt, der gleichzeitig zum Besuch der Ausstellung der URBEXPO berechtigt – der Eintritt zur Ausstellung kostet bereits 1€.
Die Praxis der Selbstisolation
Nachdem das Interesse an einer UrbEx-Konferenz im direkten Umfeld auf großes Interesse stieß, kam die Ernüchterung nach der Ankümdigung in verschiedenen Foren zum Thema Urban Exploring. Folgende Reaktionen kamen auf die Ankündigung:
„sorry, aber ich denke, wenn ein User, der sich nur äußerst spärlich ins Forenleben einbringt, zu einem Forentreffen läd, von dem er auch direkt finanziell profitiert, dann wird der Aufruf wohl eher ungehört verhallen.“
„Ne, für mich ist es nichts… Kommerz und in die Öffentlichkeit bringen ist beides fürn Arsch… „
Da diese Postings unter anderem von Administratoren von Foren gesendet wurden – zum Teil mit polemisierenden Nachsätzen, die an dieser Stelle nicht zitiert werden -, wurde bereits im Vorfeld Stimmung gegen die geplante Konferenz gemacht. Wenn ein Forum, das von seinen Mitgliedern und deren Beiträgen profitiert und lebt, sich entschließt, nicht an der Konferenz teilzunehmen, muss diese Entscheidung akzeptiert werden. Fragwürdig ist hingegen, dass Administratoren eines Forums die demokratische Grundidee von Foren unterwandern, indem sie für ihre Mitglieder sprechen (und damit deren eigene Entscheidung manipulieren) und Veranstaltungen wie die Konferenz der URBEXPO im Namen des Forums ablehnen.
Der Vorwurf, dass die Veranstalter der Konferenz von dieser finanziell profitieren würden/ wollten, zeigt jedoch die Unbedarftheit der jeweiligen Autoren, die vermutlich in ihrem Leben noch keine Veranstaltung organisiert haben. Ansonsten wüssten sie, dass jedes Event ein Budget für Raummiete, Werbung, etc. erfordert.
Die Konsequenz
Das überwiegend negative Feedback seitens der Foren sowie die kurzfristige Absage einer südwestdeutschen UrbEx-Gruppe, die aufgrund ihrer Berufstätigkeit nicht vollständig an der Konferenz hätten teilnehmen können, haben schließlich dazu geführt, dass die Konferenz der URBEXPO abgesagt wurde. Umso erfreulicher war die Tatsache, dass zahlreiche aktive Urban Explorer die Ausstellung am ersten Wochenende besucht haben und sich so neue Kontakte ergeben haben.
Als Fazit ist festzuhalten, dass innerhalb der Szene durchaus ein Bedürfnis an Vernetzung und Austausch besteht – allerdings eher bei denjenigen, die Urban Exploring unter ästhetisch künstlerischen Aspekten betrachten.