04/2010: Die Bedeutung der Arbeit
In der Regel verbringt ein Mensch mindestens ein Drittel seiner täglichen Zeit mit der Arbeit. Arbeit ist somit ein ähnlich existentieller Bestandteil des Lebens wie der Schlaf. Grund genug, die Arbeit zum Thema des Monats zu machen.
Der Beruf und die Arbeit dienen zunächst ganz profan der Sicherung des Lebensunterhaltes: Wohnung, Nahrung und Kleidung. Hinzu kommen die kleinen Freuden des Lebens wie Kultur und Urlaub, die durch die Arbeit finanziert werden. Darüber hinaus hat die Arbeit jedoch eine wesentlich weitreichendere Funktion: Sie ist sinnstiftend. Dies ist das Ergebnis des Philosophen, Arztes und Psychiaters Viktor E. Frankl, der entdeckte, dass sowohl der Verlust des Arbeitsplatzes als auch die nicht vorhandene Erfüllung beim Ausüben einer Arbeit zu einem seit Frankl neuen Neurosentyp, der noogenen Neurose, führen kann.
Die noogene Neurose beruht auf einem Sinnlosigkeitsgefühl des Erkrankten, das im Extremfall zum Suizid führen kann. Frankl hat festgestellt, dass noogene Neurosen häufig bei arbeitslosen Menschen auftreten, weil diese sich ohne ihre Arbeit nutzlos und überflüssig fühlen. Noogene Neurosen sind allerdings auch bei Menschen vorzufinden, denen es scheinbar an nichts mangelt: Menschen, die einer Arbeit nachgehen und zumindest wirtschaftlich keine Sorgen haben. Bei diesen Fällen beruht die noogene Neurose darauf, dass diese Menschen zwar ihren Beruf ausüben, aber in ihrer Tätigkeit keine sinnvolle Beschäftigung sehen.
Beide Typologien der noogenen Neurose zeigen, dass zum einen die Arbeit an sich und zum anderen eine sinnvolle und erfüllende Tätigkeit für den Menschen von existentieller Bedeutung ist.
Arbeit hat nicht nur eine individuelle existentielle Bedeutung, sondern prägt auch die soziologische Strukturen. Ohne die veränderten Bedingungen der Arbeitswelt mit Beginn der Industrialisierung gäbe es die Ruhrmetropole in ihrer heutigen Form nicht. Anfang des 18. Jahrhunderts waren Duisburg und Dortmund mit jeweils 5000 Einwohnern die größten Städte in der Region an der Ruhr. Mit der Industrialisierung und dem damit verbundenen hohen Bedarf an Arbeitskräften explodierten die Bevölkerungszahlen. Die Menschen kamen vor allem aus Ostdeutschland und Osteuropa wegen der Arbeit in die Region. Ein zweiter Schub der Zuwanderung erfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg: Die Ruhrmetropole lag in Schutt und Asche und viele Tote waren zu beklagen. Für den Wiederaufbau wurden erneut Arbeitskräfte aus dem Ausland – diesmal vor allem aus Südeuropa – angeworben, die inzwischen in der zweiten und dritten Generation in den Städten an der Ruhr arbeiten und leben.
Heute ist in der Ruhrmetropole nicht mehr viel von Bergbau und Stahl geblieben. Geblieben sind die Menschen! Somit ist es der Arbeit zu verdanken, dass in der Ruhrmetropole 5,3 Millionen Menschen mit über 170 Nationalitäten leben – europaweit ein einzigartiger Schmelztiegel der Nationalitäten und Kulturen.