11/2011: Recht und Unrecht

Wie nah Recht und Unrecht beieinander liegen, hat die Fototour Ende Oktober in eine verlassene Kinderklinik gezeigt und Anlass gegeben, diese Thematik als Thema des Monats aufgreifen. Während Urban Explorer und Fotografen permanent in einer juristischen Grauzone leben, sorgen Kriminelle und Staatsdiener dafür, dass verlassene Objekte zunehmend verfallen und zerstört werden. Im konkreten Beispiel wird diese Tatsache besonders deutlich.

Die besagte Klinik wurde 2007 im Zuge eines Zusammenschlusses mehrerer Kliniken geschlossen und war lange Zeit schwer zugänglich. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Besuch, der daran scheitete, dass genau an diesem Tag eine Hunderettungsstaffel dort ihre Übung abhielt, so dass nur eine Erforschung des Außengeländes möglich war. Ich war an diesem Tag mit einer Kollegin unterwegs und wir wurden darauf hingewiesen, dass wir einfach still stehen bleiben sollten, falls Hunde auf uns zustürmen würden. Trotz intensiver Gespräche mit den menschlichen Mitgliedern der Hundestaffel beschränkte sich dieser Ausflug auf eine Außenbesichtigung der Anlage.

In der Folgezeit gelang es mehrfach, die Anlage zu betreten und Fotos zu schießen. Mein Risiko (und das meiner Begleitpersonen) bestand dabei immer darin, dass wir immer eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch in Kauf nahmen – und das, obwohl wir getreu dem Motto des Urban Exploring „Leave nothing but foot prints and take nothing but photos“  [www.infiltration.org] handelten. Im Mai 2011 wurde ich zusammen mit Feuerteufel Zeuge von frischen Spuren der Kupferdiebe. Wir konnten förmlich den Staub riechen, den das Aufschlagen von Wänden hinterließ. Kaum ein Raum, der über direkte Wasserzuleitungen in Form von Kupferrohren verfügte, war unversehrt geblieben. Die Spuren des Vandalismus liessen den Verdacht aufkommen, dass die Kupferdiebe detaillierte Pläne zur Haustechnik besessen haben müssen – so gezielt waren die Wände geöffnet worden, um das gewinnbringende Kupfer zu gewinnen.

Die anderen Spuren der Zerstörung stimmen jedoch nachdenklicher. Nicht nur zurückgelassene Absperrbänder zeugen davon, dass das Gebäude für Übungen der Polizei und des SEK genutzt wird. Es ist allerdings unverständlich, dass die Staatsdiener nach ihren Übungen nicht aufräumen – und das in einem Land, in dem in vielen Städten ein Ordnungsgeld bezahlt werden muss, wenn man seine Zigarettenkippe auf die Straße wirft. Die Krönung ist jedoch, dass zahlreiche Türen bei Übungen aufgesprengt oder aufgebrochen wurden. Es ist nachvollziehbar, dass Polizei und SEK ihre Einsätze trainieren müssen, aber es wirkt paradox, dass Künstler und Urban Explorer der Strafverfolgung ausgesetzt sind, während Staatsorgane legitim Sachbeschädigung begehen dürfen.

2 Gedanken zu „11/2011: Recht und Unrecht

  • 08.12.2011 um 20:25
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    Besser kann man unser oft widersprüchlich erscheinendes Rechtssystem nicht auf den Punkt bringen. Danke!

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  • 21.12.2011 um 09:40
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    Gratulation … guter Artikel, der die Situation hervorragend beschreibt.

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