Quo vadis Ruhrtriennale

Krisengipfel zur Ruhrtriennale

Nachdem vor wenigen Monaten der Musikpreis Echo die Kulturlandschaft erschüttert hatte und mit dessen Abschaffung endete, steht die Ruhrtriennale bzw. deren Intendantin Stephanie Carp in den letzten Wochen im Kreuzfeuer. Ausgangspunkt der im Netz heftig geführten Diskussionen war ein geplantes Konzert der schottischen Hiphop-Band Young Fathers, die die antizionistische/ antisemitische Bewegung BDS (https://de.wikipedia.org/wiki/Boycott,_Divestment_and_Sanctions) unterstützt.

Die Vorgeschichte

Für den 18. August waren die Young Fathers für ein Konzert im Rahmen der diesjährigen Ruhrtriennale von Stephanie Carp eingeladen worden. Nach lautstarken Protesten aufgrund der Nähe der Band zum BDS lud Stephanie Carp die Musiker aus, um sie kurz darauf unter Berufung auf die künstlerische Freiheit erneut einzuladen. Das Hin und Her mit den Ein- und Ausladungen der Intendantin wurde den Young Fathers wohl zu viel, so dass sie schließlich ihrerseits das Konzert absagten.

Stephanie Carp wurde ihrerseits nach Düsseldorf zitiert, wo sie Gelegenheit bekam, sich zu ihrer inkonsequenten Verhaltensweise zu äußern. Medial war der ganze Vorfall zu einer #Antisemitismus-Diskussion ausgeartet.

Podiumsdiskussion „Freiheit der Künste“

Nachdem der 18. August im Programm der Ruhrtriennale durch das abgesagte Konzert der Young Fathers vakant geworden war, entschloss sich Stephanie Carp, anstelle des Konzerts eine Diskussionsrunde zum Thema „Freiheit der Künste“ in der Turbinenhalle der #Jahrhunderthalle #Bochum zu initiieren.

Mit leichter Verspätung begann die Diskussionsrunde, die sich auch bezüglich der Sitzordnung offensichtlich in zwei Lager um den Moderator Norbert Lammert spaltete: Zu dessen Rechter saßen die Intendantin der Ruhrtriennale, Stephanie Carp, Elliott Sharp (Komponist, Multi-Instrumentalist und Performer aus New York) und Hildegard de Vuyst (Dramaturgin und Vertreterin von Alain Platel, belgischer Choreograph und Theaterregisseur). Zur Linken Lammerts nahmen Isabel Pfeiffer-Poensgen (Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen), Michael Vesper (Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer der Ruhrtriennale) und Schorsch Kamerun (Musiker und Schriftsteller) Platz.

Bereits bei der Anmoderation durch Norbert Lammert machte sich Ernüchterung breit: Eine Lösung des Konflikts sei nach der 90-minütigen Veranstaltung nicht zu erwarten. Die Darlegung der unterschiedlichen Positionen der Diskussionsteilnehmer – und insbesondere von Stephanie Carp – stünde im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion. Und so gestaltete sich der Austausch auf dem Podium. Da sich die Redebeiträge der sechs Protagonisten auf der Bühne neben Norbert Lammert und Stephanie Carp im Wesentlichen auf die Verkündigung ihrer vorbereiteten Positionen zum Thema BDS beschränkten, widmet sich dieser Artikel primär den vertretenen Positionen von Stephanie Carp:

  1. Sie hatte vor der ersten Einladung der Young Fathers keine Ahnung von der Existenz des BDS und dessen Positionen.
  2. Die Ausrichtung eines Kunstfestivals ist ohne internationale Künstler nicht möglich
  3. Als künstlerische Leiterin der Ruhrtriennale könne sie unmöglich alle politischen und persönlichen Hintergründe der beteiligten Künstler im Vorfeld überprüfen.

zu 1:
Sollte Frau Carp tatsächlich noch nie etwas vom #BDS gehört haben, stellt sich die Frage, ob sie die geeignete Person für die Intendanz eines Festivals der Künste wie die Ruhrtriennale ist. Seit Jahren bekennen sich renommierte Künstler wie Massive Attack, Roger Waters, Brian Eno und viele andere zum Programm des BDS. Wer sich also in den höheren Kreisen von Kunst und Kultur bewegt, dürfte mit dem Thema BDS früher oder später konfrontiert werden – zumal sich Politiker und Kulturschaffende in Berlin und Frankfurt noch vor wenigen Monaten zum Thema BDS klar positioniert haben. Allerdings sollte erwähnt werden, dass der Auftritt von Massive Attack bei der Ruhrtriennale 2013 keinen Protest hervorrief.

Das Thema Ahnungslosigkeit zieht sich jedoch weiter durch das Programm der #Ruhrtriennale 2018: Die Veranstaltung „Music of Displacement“ des türkischen Hezarfen Ensembles wurde seitens der Künstler abgesagt, nachdem die berechtigte Kritik laut wurde, dass der Genozid an dem Armeniern (1915-1923) im Programmheft der Ruhrtriennale als Umsiedlung bezeichnet wurde.

zu 2:
Ein Mangel an internationalen Künstlern ist nicht auszumachen. Von daher dürfte es möglich sein, ein anspruchsvolles internationales Kunstfestival auf die Beine zu stellen – vom Selbstanspruch der Ruhrtriennale, Grenzen auszuloten, ist es durchaus denkbar, auch politisch grenzwertige Positionen zu präsentieren, sofern dies bewusst und konsequent erfolgt. Falls provokante Positionen nicht erwünscht sind, wäre es auch möglich, eine Ruhrtriennale künstlerisch international mit „Mainstream“ zu besetzen. Letztendlich eine Frage der Ausrichtung.

zu 3:
Zunächst einmal ist festzustellen, dass Frau Carp als Identantin der Ruhrtriennale deren Programm offiziell zu vertreten hat. Dabei steht sie jedoch nicht alleine da, sondern hat (oder sollte) einen Stab an Beratern haben, die sie bei der Programmgestaltung unterstützen. Bei einem Jahresetat für 2018 in Höhe von rund 13 Millionen Euro sollte es möglich sein, die beteiligten Künstler sorgfältig auszuwählen – nicht nur hinsichtlich ihrer künstlerischen Arbeiten, sondern auch der persönlichen und politischen Positionen.

Fazit

Die Podiumsdiskussion „Freiheit der Künste“ hat das geliefert, was zu erwarten war und von Norbert Lammert bei der Einleitung festgestellt wurde: Es wird keinen Konsens oder ein Ergebnis am Ende der Veranstaltung geben. Stattdessen haben die Beteiligten ihre (im Vorfeld bekannten bzw. zu erwartenden) Positionen dargelegt und vertreten. Das haben auch die Publikumsreaktionen gezeigt: Je nachdem, ob sich ein BDS-nahes oder ein BDS-kritisches Mitglied der Diskussionrunde geäußert hat, wurde die Stimmen der Gegenseite im Publikum laut.

Grundsätzlich ist Boykott kein Mittel der Auseinandersetzung. Von daher sind die Positionen des BDS inakzeptabel, zumal die Kampagne auch Künstler massiv unter Druck setzt.

Für mich persönlich ging es auch weniger um die Antisemitismus-Diskussion rund um die Ruhrtriennale als um die Frage nach der (In)Kompetenz von Stephanie Carp – und damit der Ruhrtriennale. Auch dort bestätigte sich für mich der Eindruck, den ich bereits vor der Diskussion hatte: Die Position Carps weist keine klare Linie auf wie ihr Hin und Her bei den Young Fathers und ihr Verweis auf Unwissenheit gezeigt hat. Und genau das darf bei einem hochsubventionierten Festival wie der Ruhrtriennale, die sich als Thema „Flucht und Migration“ auf die Fahne schreibt, nicht passieren! Ein derart politisches Thema kann nicht nur rein künstlerisch bearbeitet werden, sondern umfasst zwangsläufig politische Dimensionen und Positionen.

Ein anderer Punkt ist die Frage, was eine Band wie die Young Fathers im Rahmen der Ruhrtriennale zu suchen haben? Die hohen Subventionen des Festivals werden auch immer damit begründet, dass so Veranstaltungen möglich sind, die ohne Subventionen wirtschaftlich nicht realisierbar wären. In diese Kategorie gehören weder die Young Fathers noch Laurie Anderson. Derartige Konzerte sind für jeden klassischen wirtschaftlich orientierten Veranstalter machbar. Gleiches gilt übrigens auch in der Vergangenheit für Massive Attack (2013) oder Hauschka (2016). Hätte die Ruhrtriennale bereits früher in diese Richtung gedacht, wäre die Diskussion um die Young Fathers erst gar nicht entbrannt.

Die nicht gestellte Vertrauensfrage zur Persona Stephanie Carp wurde indirekt beantwortet: Kein Mitglied der NRW-Landesregierung als größtem Geldgeber der Ruhrtriennale hat sich deutlich zu seiner Intendantin bekannt. Im Gegenteil: Armin Laschet hatte bereits im Vorfeld angekündigt, dieses Jahr aus gegebenem Anlass keine Veranstaltung der Ruhrtriennale zu besuchen. Rückhalt sieht anders aus.

Am Ende des Tages blieb die Frage „Quo vadis, Ruhrtriennale“!

#StephanieCarp #MichaelVesper #NorbertLammert

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