urban urtyp #32: DASH & Dietmar Korthals

In der Elektro-Szene gilt Dash aka Steffen Korthals als Old Hand, seit Mitte der 90er zählt er zu den Größen des Drum n Bass. Das Juicy-Beats etwa hat ihn so ziemlich jedes Jahr gebucht, und vorm Juicy Beats verneigen sich nicht wenige von uns bei uu. Auch die Liste der Clubs, in denen Dash als Resident-DJ gearbeitet hat, liest sich, als spazierte er durch diese Szene wie andere durch Buckingham Palace. Club Trinidad (für SPEX eine der besten Clubs seiner Zeit), Suite023, das Domicil, Club Baikonur in Essen, der Goethebunker, um mal ein paar von den Ruhrstadt-Kellern in diesem Underground-Palace zu nennen: Dash wird europaweit gebucht, auf größeren Events hierzulande legt er mit Klaus Fiehe von EinsLive zusammen auf, und was richtig gut ist: seine Autoren-Sendung »Vinyl Asyl« auf Eldoradio, mit ihr pusht er den Underground-Warehouse-Geist des Ruhrgebiets, warum macht so einer was mit Orgel? Mit Kirchenorgel? 3 ½  Gründe: Weil er es kann, weil sein Bruder es kann, weil es das noch nicht gab. Und: Weil es nahe liegt, beides zusammen zu hören, radikal-repetitive Körpermusik und das Instrument, das nichts als Wind macht, den Hauch, den Geist. Spirituell?

Sind beide. Beide Stile, wobei Drum n Bass ja ähnlich wie Techno [oder früher: dem Reggae, dem Afro-Beat …] immer vorgeworfen wurde, dass eh alles gleich sei und gar nichts neu und eigentlich nur eine Maschine orgeln würde. Was ein merkwürdiger Vorwurf war, auch die Orgel ist ja nun eine Maschine, und gäbe man die Jahresprogramme aller deutschen Staatsorchester in einen Computer ein, käme der zu dem Ergebnis, das zwar sehr viel bei raus gekommen ist, aber so gar nichts Neues: Auch das ist alles äußerst repetitiv, es wiederholt sich nur behäbiger.

Drum n Bass hat sich beim Wiederholen, das macht den Unterschied, aufs kurze Intervall verlegt  —  der Effekt, der dadurch entsteht, ist der, dass Musik körperlich wird. Der Körper hört und antezipiert, was er hört, er nimmt die Musik vorweg und in sich auf, am Ende ist nicht mehr klar, wer hier auf wen reagiert und ob nicht die Körper es sind, die den Sound befreien. Körper als Orgel.

Was daraus entsteht: äußerste Aufmerksamkeit für die geringste Abweichung, die kleine Dissidenz im wiederholten Muster. Und was alles sich aus Dissidenz entwickeln kann … das Wort wurde im 16. Jahrhundert geprägt, es benannte die Protestanten, die sich im katholischen Polen politische Rechte erstritten hatten. Was ich sagen will, es gibt Grund, auf Dissidenzen zu achten, sie bergen Sinn. Dietmar, der Bruder von Dash:

»Steffen tickt so wie ich, er hat nur ein anderes Terrain. Der musikalische Flow ist da.«

Dietmar ist Organist, Komponist, hat in Bochum Musikwissenschaft studiert. Und er ist derjenige, der improvisieren wird: Während Dash an den Plattentellern die kommende Welt der nächsten Viertelstunde absteckt, sitzt Dietmar am Orgeltisch mit ein paar Zettelchen vor sich, darauf Notizen zu Tonarten und solchen Dingen, sonst nichts. Was dann passiert [sie haben es bisher erst einmal, rund 2300 Jahre nach Erfindung der Orgel, in der Pauluskirche Dortmund gemacht, dieser Tage hören wir ihren Proben bei uns zu, und schon das ist schön zu wissen: dass sie probieren], also was passiert? Körper trifft Wind, der Körperpuls auf Luftimpulse, der deepe Bass auf seinen ähnlich tiefen Sinn.

Immer gut auch zu wissen, was nicht passiert: dass Bach mit Beats aufgepeppt würde. Nichts aus der Abtlg. Rockpop meets Classic oder Grönemeyer meets Grönegeige. Liegt sicher auch daran, dass Dash n Dietmar Brüder sind, Turntable n Windlade. Man kennt sich, wie immer man zusammen spielt, von sehr viel früher her.

Sonntag, 12. Januar 2014: urban urtyp #31: Christuskirche Bochum, An der Christuskirche Bochum 1, 44787 Bochum, Beginn: 19 Uhr , Eintritt 10 €.

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