Traurige Jubiläen

Dreißig Jahre nach Tschernobyl und fünf Jahre nach Fukushima – zwei traurige Jubiläen im Jahr 2016. Seit den 1950er Jahren haben Politik und Energiekonzerne Atomkraftwerke als saubere Form der Energiegewinnung für die Zukunft proklamiert. Bereits der nukleare Unfall von Tschernobyl am 26. April 1986 hat gezeigt, dass statistisch unwahrscheinliche Ereignisse eintreten können. Dass sich ein Unglück ähnlichen Ausmaßes nur 25 Jahre später in Fukushima wiederholen sollte, schien undenkbar.

Obwohl die Ursachen und Umstände der Katastrophen von #Tschernobyl und #Fukushima völlig verschieden sind, weisen sie erschreckend viele Parallelen auf.

Ursachen und Auslöser der Katastrophen

Das Unglück von Tschernobyl ist in erster Linie auf menschliches Versagen zurückzuführen. Hinzu kamen technische Mängel und potentielle Fehlerquellen bei der Konstruktion des Reaktors. Die Katastrophe wurde maßgeblich durch Verletzungen der Sicherheitsvorschriften der Mannschaft im Kontrollraum ausgelöst. Bei einem routinemäßigen Sicherheitstest sollte nachgewiesen werden, dass die Kühlung des Reaktors auch bei einem totalen Stromausfall gewährleistet ist. Bei dem Versuch ignorierte der leitende Ingenieur Anatoli Stepanowitsch Djatlow Warnungen seiner Mannschaft im Kontrollraum. Eine detaillierte Chronologie der Ereignisse liefert der entsprechende Artikel bei Wikipedia.

Auslöser der Katastrophe von Fukushima im März 2011 war ein #Tsunami, der die Notstromversorgung der Reaktoren fast vollständig zerstörte. Aufgrund der ausgefallenen Kühlsysteme kommt es in drei der sechs Reaktoren zu einer #Kernschmelze. Obwohl ein Naturereignis das Unglück verursachte, stellte sich später heraus, dass – ähnlich wie in Tschernobyl – Konstruktionsfehler der Anlage den Unfall zumindest begünstigt hat. Hinzu kamen jahrelange mangelhafte Wartungsarbeiten und Manipulationen bei den Wartungsberichten der Betreiberfirma TEPCO.

Eine ausführliche Beschreibung der Ereignisse liefert auch im Fall Fukushima der entsprechende Artikel bei Wikipedia.

Politische und wirtschaftliche Umstände

Sowohl in Tschernobyl als auch in Fukushima wurden die Vorfälle von offizieller Seite zunächst herunergespielt und die Bevölkerung nicht bzw. nicht ausreichend über die nukleare Gefahr informiert. Die Gründe dafür sind jedoch in beiden Fällen grundverschieden.

Die Katastrophe von Tschernobyl ereignete sich zu Zeiten des Kalten Kriegs, mitten im atomaren Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjet-Union. Vielleicht ist es damit zu erklären, warum der Kreml den Vorfall in Tschernobyl zunächst verharmloste und nicht publik machte, weil er ein Zeichen der Schwäche gewesen wäre bzw. war.Es fällt jedoch auf, dass der Westen auch nach Bekanntwerden des Ausmaßes des nuklearen Unfalls diesen Vorfall nicht für die Propaganda der eigenen technischen und atomaren Überlegenheit ausgenutzt hat. Vermutlich, weil bei den Unfällen in Sellafield (Großbritannien) und Harrisburg (USA) ebenfalls beträchtliche Mengen Radioaktivität in die Atmosphäre gelangt sind.

In Fukushima standen wirtschaftliche Interessen der Atomindustrie im Vordergrund. Da Japan – im Gegensatz zur damaligen Sowjet-Union – praktisch über keine Öl- oder Kohlevorkommen verfügt, ist die Atomkraft die einzige Möglichkeit für das dicht besiedelte und kleine Land, sich unabhängig mit Energie zu versorgen. Diese These wird auch dadurch gestützt, dass TEPCO bereits vor 2011 Störfälle verschwiegen und Wartungsberichte zu seinem Gunsten manipuliert hat.

Folgen der nuklearen Katastrophen

Beide Reaktorunglücke und der damit verbundene radioaktive Fall Out hatten gravierende Auswirkungen für die Bevölkerung der betroffenen Regionen. Es wurden Schutzzonen eingerichtet und deren Bewohner evakuiert. In Tschernobyl hat diese Zone 30 km Durchmesser, in Fukushima nur 20 km, obwohl dort doppelt so viel Radioaktivität freigesetzt wurde wie in Tschernobyl. Aber auch außerhalb der Unglücksgebiete sind die Folgen der freigesetzten Radioaktivität noch heute zu spüren. In Süddeutschland darf das Fleisch von heimischen Wildschweinen noch immer nicht verzehrt werden, da es noch zu stark kontaminiert ist. Gleiches gilt für viele Pilzsorten.

Es fällt auf, dass es auch nach den Vorfällen in Fukushima zahlreiche Pannen passiert sind. Das ist erstaunlich, da Tschernobyl und die damit verbundenen Fehler der erste Zwischenfall dieses Ausmaßes war und auf den niemand wirklich vorbereitet war. Betrachtet man das Vorgehen nach Fukushima, drängt sich der Eindruck auf, dass man aus den Fehlern des Jahres 1986 nicht viel gelernt hätte.

Die politischen Folgen könnten nicht unterschiedlicher sein: Nach dem Unglück von Tschernobyl nahmen die Proteste gegen Atomenergie zwar zu, aber lediglich Italien schaltete seine Kernkraftwerke zeitnah und komplett ab. Nach Fukushima beschlossen weltweit viele Staaten den Ausstieg aus der Atomenergie. Inwieweit der völlige Verzicht auf Kernkraft politisch tatsächlich umgesetzt wird, ist anno 2016 jedoch mehr als fraglich. Zahlreiche global agierende Energiekonzerne wie Vattenfall, RWE oder EON drohen mit Klagen, falls es keine staatlichen Ausgleichzahlungen für die frühzeitige Stilllegung und die erheblichen Rückbaukosten gibt.

Gesellschaftliche Rezeption

Wie bei anderen Themen lässt mit der Zeit das allgemeine Interesse nach. So verhält sich auch bei den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima. Der fünfte Jahrestag von Fukushima fand medial eher als Randnotiz statt. 30 Jahre nach Tschernobyl ist zumindest einigen Fernsehsendern ein Thementag wert.

Es fällt auf, dass die Themen #Radioaktivität, #Kernenergie, Tschernobyl und Fukushima in diesem Jahr keinen großen Widerhall in der Kunst und Kultur finden. Die urbEXPO 2016 nimmt sich vom 19. August bis 4. September 2016 des Themas „30 Jahre Tschernobyl“ an. Die Fotografieausstellung, die sich seit 2012 mit den Themen Lost Places unf Ästhetik des Verfalls auseinandersetzt, zeigt als einen Schwerpunkt Fotografien, die in der sogenannten Todezone um Tschernobyl entstanden sind.

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