06/2010: Urban Exploring

Urban Exploring bezeichnet das Erforschen urbaner Anlagen wie Bunker, Krankenhäuser, U-Bahn-Stationen, Hotels, Industrie- oder Militärgebäuden. Die Gründe, warum Menschen Urban Exploring betreiben, sind vielfältig: Historisches Interesse spielt dabei genauso eine Rolle wie die Erfahrung, die Atmosphäre der oftmals vergessenen Orte zu spüren, oder einfach ein Hauch von Abenteuer.

Der Urahn des Urban Exploring ist der Franzose Philibert Aspairt, der 1793 in die Katakomben von Paris stieg und sich dort verirrte. Elf Jahre später wurde sein Skelett nur wenige Meter vom Ausgang entfernt gefunden. Während die Wurzeln des Urban Exploring im Erforschen von Katakomben liegt, haben sich im Laufe der Zeit weitere Themenkomplexe ergeben. Eine Zeit lang standen U-Bahn-Systeme hoch im Kurs; seit den Vorfällen am 11. September 2001 erwarten Urban Explorer, die erwischt werden, vor allem in den USA und England hohe Strafen. Aktuell lässt sich die Szene in drei Gruppen einteilen:

  1. Industrieanlagen; diese Fraktion widmet sich Fabriken, Zechen, Stahl- und Hüttenwerken. Aufgrund ihrer Geschichte ist die Ruhrregion eines der Zentren in Deutschland. Hinzu kommen die Industriestandorte auf dem Gebiet der ehemaligen DDR.
  2. Bunker und Militäranlagen; die Ziele dieser Interessenten sind vor allem Anlagen entlang des Westwalls, im ehemaligen Ostpreußen und natürlich in Berlin. Seit der Wiedervereinigung stehen auch ehemalige sowjetische Kasernen und Anlagen im Fokus. Bei den bevorzugten Objekten gibt es Überschneidungen mit der Industriefraktion, da vor allem im Ruhrgebiet viele Industriestandorte während des Zweiten Weltkriegs über unterirdische Produktions- und Schutzanlagen verfügten.
  3. (Spuk)schlösser; diese Gruppierung verfügt über kein geographisches Zentrum, sondern widmet sich vorrangig Häusern und Schlössern, in denen es spukt oder (böse) Geister ihr Unwesen treiben sollen. Urban Explorer, die sich auf dieses Thema spezialisiert haben, interessieren sich für paranormale Phänomene und Esoterisches, aber auch für für sensationslustige Orte wie das Haus des belgischen Kinderschänder und Mörders Marc Dutroux.

Die Praxis des Urban Exploring im 21. Jahrhundert hat nicht mehr viel seinen Anfängen zu tun. Im Vorfeld einer Tour stehen je nach Objekt mehr oder weniger intensive Recherchen via Internet und Google Earth an. Dass Urban Exploring auch Gefahren birgt, zeigt nicht nur das eingangs erwähnte Schicksal von Ph. Aspairt. Seit August letzten Jahres wurde ein Militärhistoriker aus Luxemburg vermisst, der Anfang dieses Jahres eingeklemmt und tot aus einer Bunkeranlage geborgen wurde. Es muss nicht immer tödlich ausgehen, aber Einsturz gefährdete Böden, Decken und Dächer stellen immer eine potentielle Gefahr dar. Hinzu kommen je nach Örtlichkeit unsichtbare Gefährdungen durch Asbest, Schimmel und Chemikalien, so dass bei jeder Begehung entsprechende Schutzausrüstung mitgenommen werden soll. Taschenlampen mit ausreichend Ersatzbatterien, festes Schuhwerk, Mobiltelefon und eine Notfallration an Getränken und Snacks sollten bei jeder Tour dabei sein. Schutzhelm, Feinstaubmaske und Atemschutz stellen je nach zu besuchendem Objekt eine sinnvolle bzw. notwendige Ergänzung dar. Während des Urban Exploring sollte immer die Vernunft im Vordergrund stehen; im Zweifelsfall verzichtet man besser darauf, weiter in ein Objekt einzudringen, wenn die Risiken nicht abschätzbar sind. Dies gilt besonders, wenn man alleine unterwegs ist.

Trotz der Risiken erfreut sich Urban Exploring zunehmender Beliebtheit. Vor allem das verwandte Geo-Caching findet immer mehr Freunde. Geo-Caching ist eine Art moderne Schnitzeljagd, bei der mit Hilfe von GPS-Koordinaten Rätsel gelöst werden müssen. Als Belohnung dient ein kleiner „Schatz“, dem Geo-Cache, wenn der entsprechende Ort gefunden wurde. Als Geo-Cache dienen zwar auch Mülleimer oder Brunnen in den Städten, aber schwierige Geo-Cahes finden sich häufig auch in stillgelegten Industrieanlagen oder auch schon mal in einem schwer zugänglichen Bunker.

Auch Filme und Romane bedienen sich zunehmend der Stimmungen und Atmosphären der Lost Places , die bereits Urban Explorer faszinierten. So spielen zahlreiche Szenen des Thrillers „Der Knochenjäger“ von Jefferey Deaver in der New Yorker Unterwelt, während David Morrells „Creepers“ komplett in einem verlassenen Hotel spielt.

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